– Was Bellen bedeutet und wie du deinen Trainingsaufbau besser gestaltest –
In vielen Alltagssituationen erleben wir es immer wieder: Der Hund bellt, springt in die Leine oder wird hektisch – besonders dann, wenn er aufgeregt ist, ein anderer Hund vorbeigeht oder er frustriert ist, weil er nicht zum Ziel darf. Manche Trainingsmethoden setzen genau an solchen Momenten an, lassen den Hund immer wieder „hineinkippen“, in der Hoffnung, dass er es irgendwann „lernt“. Andere Trainer korrigieren in diesen Momenten konsequent – sei es mit Leinenruck, Drohgebärden, Abbruchsignalen oder anderen Maßnahmen. Doch was passiert dabei wirklich im Hund?
In diesem Blogbeitrag schauen wir uns an,
- was Bellen eigentlich signalisiert,
- wann es problematisch wird,
- warum Hineinkippen lassen und ständiges Korrigieren keine nachhaltigen Lösungen sind,
- welche Rolle rassespezifische Unterschiede dabei spielen,
- und wie ein sinnvoller Trainingsaufbau aussieht.
Was Bellen ausdrückt – eine wichtige Kommunikationsform
Bellen ist für Hunde ein ganz normales Ausdrucksverhalten. Es kann viele Bedeutungen haben, zum Beispiel:
- Aufmerksamkeit fordern: „Schau her, ich will etwas!“
- Warnen oder signalisieren: „Da ist etwas Unbekanntes!“
- Frust oder Stressabbau: „Ich will dorthin, darf aber nicht!“
- Freude und Erregung: z. B. beim Spielen oder in für den Hund aufregenden Situationen
Bellen ist also nicht per se „schlecht“. Es ist ein Signal des Hundes, das uns viel über seinen inneren Zustand sagt. Problematisch wird es nur dann, wenn es in Situationen auftritt, in denen der Hund nicht mehr ansprechbar ist, sich steigert oder sich selbst in ein starkes Stressniveau „hineinbellt“.
- der Hund in die Leine springt und bellt, sobald ein anderer Hund auftaucht,
- er bei Frust bellend vorprescht, weil er nicht zum Ziel darf,
- er sich immer wieder hochschaukelt und sich selbst nicht mehr regulieren kann.
Dann sprechen wir von unerwünschtem Verhalten, weil es sowohl die Umwelt belastet als auch das emotionale Wohlbefinden des Hundes beeinträchtigt.
Warum Wiederholung und Korrektur keine Lösung sind
Ein häufiger Trainingsansatz lautet: „Der Hund muss sich an den Reiz gewöhnen.“ Oder: „Der Hund muss lernen, dass dieses Verhalten nicht okay ist.“
Doch sowohl das wiederholte Hineinkippenlassen als auch das ständige Korrigieren sind aus verhaltenstherapeutischer Sicht problematisch.
Was passiert beim „Immer-wieder-durchlaufen“?
- Der Hund festigt das unerwünschte Verhalten,
- verknüpft bestimmte Auslöser mit negativen Emotionen (z. B. Frust, Angst, Aufregung),
- entwickelt ein emotionales Muster, das immer wieder ausgelöst wird,
- bekommt keine Gelegenheit, ruhige Alternativen zu lernen.
Was passiert bei ständiger Korrektur?
- Der Hund lernt nicht, was er stattdessen tun soll,
- wird unsicher, weil sein Verhalten unvorhersehbar unterbrochen wird,
- Frust und Stress steigen, was oft zu einer Eskalation oder zu Meideverhalten führt,
- bei sensiblen oder kooperativen Rassen entsteht Vertrauensverlust.
Rassespezifische Unterschiede: Nicht jeder Hund reagiert gleich
Besonders kritisch ist Korrekturtraining bei Rassen, die entweder sehr sensibel oder sehr selbstständig sind:
- Hütehunde wie Border Collies, Australian Shepherds oder Shelties reagieren oft überaus feinfühlig. Korrekturen verunsichern sie schnell und können zu Stress, Übersprungverhalten oder Abschalten führen.
- Schutzhunderassen oder ursprüngliche Typen wie Malinois, Schäferhunde, Huskys oder Terrier hingegen können auf Korrekturen mit Gegendruck reagieren – das heißt, sie steigern sich unter Umständen noch mehr ins Verhalten hinein.
- Auch kleine Begleithunde, die oft als „niedlich bellend“ abgetan werden, leiden unter ständiger Korrektur und entwickeln häufig chronischen Stress.
Der entscheidende Punkt ist:
Emotionen kann man nicht bestrafen. Wenn ein Hund bellt, weil er gestresst, unsicher oder überfordert ist, verschärft eine Korrektur meist genau diesen Zustand.
Wie ein sinnvoller Trainingsaufbau aussieht
Statt den Hund zu korrigieren oder ihn immer wieder überfordern zu lassen, ist es sinnvoll, proaktiv zu arbeiten – mit einem Fokus auf:
- Situationen analysieren: Wann genau zeigt der Hund das Verhalten? Welche Emotion steckt dahinter?
- Trainingsziel definieren: Was soll der Hund stattdessen tun?
- Distanz schaffen: So trainieren, dass der Hund unterhalb der Reizschwelle bleibt.
- Alternativen aufbauen: z. B. Blickkontakt, ruhiges Abwenden, Schnüffeln, Handtouch
- Selbstwirksamkeit fördern: Dem Hund durch kleinschrittiges Training beibringen, wie er sich in schwierigen Situationen verhalten kann.
- Positive Verknüpfungen schaffen: Training ist nicht nur Verhaltenstraining – es ist auch Emotionsarbeit.
Fazit
Unerwünschtes Verhalten wie starkes Bellen, in-die-Leine-Springen oder Vorpreschen ist in der Regel ein Ausdruck von Emotionen – nicht von „Ungehorsam“. Methoden, die darauf setzen, den Hund immer wieder in diese Situationen zu bringen oder ihn ausschließlich zu korrigieren, führen oft zu mehr Stress, Unsicherheit und Vertrauensverlust.
Ein durchdachtes, belohnungsbasiertes Training dagegen berücksichtigt die individuellen Bedürfnisse, rassespezifischen Eigenheiten und emotionalen Zustände des Hundes – und schafft so eine echte, nachhaltige Veränderung.
Denn am Ende zählt nicht nur das, was der Hund tut, sondern wie er sich dabei fühlt.